​Anderland-Geschichten

Die große Tat des Ritters Hummeldung aus Anderland


Es war einmal vor langer Zeit in Anderland. Nun werdet ihr fragen was Anderland ist. Ich verrat es Euch; Anderland heißt deswegen Anderland, weil dort alles ganz anders ist. 

Zum Beispiel das Essen kochen: Die Menschen kochten das Essen in der Waschmaschine, dann öffneten sie die Tür, stellten den Schleudergang an und das Essen spritzte in die Wohnung. Dann legten die Menschen sich auf den Boden und leckten alles auf. Deswegen mussten die Menschen in Anderland nie mehr spülen, abtrocknen, putzen oder Staubwischen. Nach jedem Essen war die Wohnung wie geleckt.

Oder zum Beispiel das Fernsehen. Wer fernsehen wollte machte einfach die Ofentür auf und schaute hinein und weil jeder dabei sein eigenes Programm sah, der eine eben die Sportschau, der andere die Tagesthemen und der dritte einen Liebesfilm, gab es in Anderland nie Krach um das Fernsehprogramm.

Und sogar die Katzen waren anders. Alle Katzen in Anderland waren blau und saßen abends als Antenne fürs Fernsehen auf dem Ofen.

Also wie gesagt: Jetzt kennt ihr Anderland. Und vor langer Zeit geschah dort folgendes: Vater Damian, Mutter Anna und Tochter Bella hatten gerade gegessen, die Wohnung war heute Abend besonders sauber, weil das Essen besonders gut geschmeckt hatte. 

Die drei hatten die Ofentür geöffnet und wollten sich einen gemütlichen Fernsehabend machen. Kaum saßen sie vor dem Ofen, die blaue Katze streckte ihren Schwanz in die Luft, damit der Empfang besser würde, da schlug aus dem Ofen eine gewaltige Flamme. Und als die Flamme sich in den Ofen zurück zog, da waren auch Damian, Anna und Bella verschwunden, wie vom Erdboden verschluckt.

Wollt ihr wissen, was mit ihnen geschehen war?

Sie saßen mitten in einem großen Wald auf einem riesigen Baum. Und wie sie auf den Boden hinab schauten, da fingen sie plötzlich so an zu schlottern, dass der ganze Baum zitterte. Was sie da unter sich sahen war aber auch gar zu schrecklich. Ein grauenhafter Drache ... Lindwurm wohl fünfzig Meter lang mit grünlich schimmerndem Panzer und dicken Giftbeulen auf dem Rücken. Der schnaufte durch den Wald, dass die Felsen wackelten und die Bäume sich bogen. Und dabei brummte er vor sich hin: 

         Regenwurm und Schneckenschleim

         Affenfurz und Kinderbein

         Teufelsbrut und Schlangenseim

         Wo mag bloß der Ritter sein.

Dann schrie er ganz laut: „Ich habe Hunger!“

Nun müsst ihr wissen, dass dieser Drache zum Frühstück bloß drei Eimer Schneckenschleim gegessen und zwei Eimer Regenwurmsaft getrunken hatte. Und jetzt hatte er richtig Hunger. Am liebsten hätte er eine Prinzessin gefressen, aber die waren in Anderland inzwischen ausgestorben.

Und jetzt gelüstet es ihn nach einem Ritter. Probeweise prustete er schon mal etwas Feuer in die Luft, denn Ritter haben den großen Vorteil, dass man sie in der Rüstung gut grillen kann.

Jetzt könnt ihr verstehen, warum Damian, Anna und Bella auf ihrem Baum herum zitterten. Das kommt dabei heraus, wenn man unbedingt Horrorfilme sehen will. Plötzlich ist man mitten drin. 

Auf einmal hörten sie neben sich ein leises Geräusch und plötzlich saß neben ihnen ein Äffchen. Das flüsterte: Habt keine Angst, ich werde euch retten. 

Es war eins der berühmten Großmauläffchen, das da angekommen war. Die gibt’s auch bloß in Anderland. Zwar sind die Äffchen ziemlich klein, ungefähr so groß wie ein Dackel. Aber wenn sie ihr Maul aufreißen, dann ist das so groß, dass leicht ein erwachsener Mann darin spazieren gehen kann.

Auf einmal wurden die vier oben im Baum ganz still. Denn von weitem hörten sie eine gar schreckliche Stimme:

         Ich bin der Ritter Hummeldung

         Ich komme aus der Umgebung

         Ich kann nicht singen doch ich schrei

         Ich schlag den Drachen jetzt zu Brei.

Heeho – ließ sich da der Drache hören: Da kommt endlich mein Frühstück.

Wie er aber seinen Kopf hebend sein garstiges Maul öffnete, in dem, statt einer Zunge drei giftige Schlangen hausten, da sah er etwas höchst Merkwürdiges.

Der Ritter Hummeldung kam nicht, wie es sonst Ritter taten, auf seinem Pferd daher, sondern er saß auf einem Einhorn, einem blauen Einhorn übrigens. 

Und Ritter Hummeldung schrie: Komm doch nur du blöder Drache, dann nehm ich an dir böse Rache, Ritter müssen nämlich in Reimen sprechen, sonst gilt es nicht. Das Einhorn sprengte auf den Drachen zu, der Drache spie Feuer, aber das Einhorn stieß dem Drachen sein Horn in die giftige Seite. Der Drache bäumte sich vor Schmerz auf und spie wieder Feuer und Schneckenschleim – sein Frühstück machte sich bemerkbar. Da brach dem Einhorn sein Horn ab. Es quiekte laut und schrie:

         Mein Horn, mein Horn, ich bin verlorn. (Immerhin war es ja ein Rittereinhorn) und raste davon.

„So,“ donnerte der Drache zu Hummeldung hinüber, „und jetzt grille ich dich.“ Und dann spie er Feuer über Feuer auf den Ritter, dass dem in seiner Rüstung der Schweiß ausbrach und der Hosenboden brannte.

In höchster Not griff der in seine Tasche, zog ein kleines Säckchen hervor, das an einem Band hing und schrie „Huibuh, huibuh“ und schleuderte dabei das Säckchen im Kreis. Da entstand ein so entsetzlich knatternder Lärm, dass der Drache erstarrte und schließlich tot zu Boden sank.

Jetzt wollt ihr wahrscheinlich wissen was aus Damian, Anna und Bella geworden ist. Das Großmauläffchen hatte in höchster Not sein Maul geöffnet und den Dreien geraten: „Springt hinein!“. Und wie sie wieder zu sich kamen, da saßen sie vor ihrem Ofen. Die Katze lag längst in ihrem Bett und schlief. 

Der Ofen war aus. Und die Geschichte ist’s nun auch.

Ein Glück, ein falscher Zaubertrank

Es war einmal vor langer Zeit in Anderland. Ihr wisst ja schon, dass in Anderland alles ganz anders ist. Aber was ihr noch nicht wisst: In Anderland sind die Kühe nicht lila, wie bei uns, sondern die Kühe sind gestreift wie ein Regenbogen und heißen deswegen auch Regenbogenkühe. Es gibt auch Stiere in Anderland, und die sind rot. Könnt ihr euch vorstellen, wie schön es ist, wenn auf den blauen Wiesen die Regenbogenkühe weiden und zwischen ihnen schnaubend ein roter Stier herum läuft? Es ist als wäre die Erde ein Himmel. Nicht weit hinter den blauen Wiesen liegt der anderländliche Dschungel, ein gewaltiger Urwald, der fast undurchdringlich ist. Und mitten in diesem Dschungel liegt ein altes verfallenes Schloss. Das Dach ist halb eingebrochen, in den Zimmern riecht’s modrig. Und in den Fenstern ist schon lange kein Glas mehr.

In diesem Schloss lebten zwei Wesen – oder sollen wir lieber sagen Unwesen! Graf Dracula der Jüngere und sein Freund, ein Gespenst. Graf Dracula hatte unentwegt Hunger, weil sich selten ein Mensch in den Urwald verirrte, den er beißen konnte. Auch das Gespenst war schon ganz durchsichtig geworden, denn Gespenster leben ja von Träumen, die sie aufsaugen. Im ganzen Urwald gab es aber schon lange niemanden mehr, der träumte. Tief unter dem Schloss lag eine düstere Höhle. Allerlei Gewürm bewegte sich dort, Schlangen und Salamander gab’s, Nacktschnecken ohne Zahl – und zwischen all diesem Getier lebte eine alte Hexe. Die war so hässlich, dass schon bei ihrem Anblick jeder Mensch tot zu Boden gefallen wäre. Statt Haaren hatte sie Würmer auf dem Kopf, ihre Augen waren zwei glühende Kohlen, ihre Zähne waren spitzig und braun und an ihrem Kinn hing eine grüne Fledermaus, die ihr beim Hexen und Zaubern half.

Die Hexe war der grimmigste Feind von Graf Dracula. Denn sie hatte sich in das Gespenst verliebt und wollte es unbedingt heiraten. Graf Dracula aber ließ seinen Freund nie aus den Augen. Und das Gespenst selbst wollte von der Hexe nichts wissen. Obwohl ... 

Täglich sann die Hexe darauf, wie sie Graf Dracula beseitigen könnte. So sehr sie aber auch nachdachte, so oft sie ihre Fledermaus befragte, ihr wollte kein Einfall kommen. Nun hatte die Hexe ein gar seltsames Reittier. Das war eine riesengroße Schildkröte. Die sattelte sie eines Tages und band die Fledermaus am Kinn fest, damit sie nicht herunterfallen sollte, band sich die Würmer auf dem Kopf zu einem Zopf und machte sich auf den Weg der blauen Wiesen und der Regenbogenkühe. Schwerfällig wälzte sich die Schildkröte durch den Dschungel. „Ich brauche Menschen als Futter für den Dracula,“ dachte die Hexe, „dann ist er abgelenkt und ich kann ihm, wenn er schläft einen Holzpflock ins Herz schlagen, damit er für immer und ewig tot ist. Dann ist das Gespenst ganz allein und hat im tiefen Dschungel nur noch mich. So werde ich ins Schloss umziehen und mit dem Gespenst Hochzeit halten.“

Also ritt die Hexe auf ihrer Schildkröte auf die erste Regenbogenkuh zu und fragte sie: „Hast du Menschen gesehen?“ „Miau“, sagte die Kuh. Und das heißt in der Sprache der Regenbogenkühe „Nein“.

Die Hexe ritt weiter und begegnete dem roten Stier: „Hast du Menschen gesehen?“ fragte die grüne Fledermaus den Stier. „Brr.“ machte der Stier. Und das heißt in der Sprache der Stiere: „Ich habe bloß eine grüne Fledermaus gesehen“.

Da vernahm die Hexe in der Ferne ein grausiges Grollen. Es war fast als sei ein Gewitter in der Nähe. Es war aber kein Gewitter, sondern ein Löwe, der dort heranzog. Und wie es dazu kam, das will ich euch jetzt kurz erzählen.

Prinz Eric hatte sich in Prinzessin Tabea verliebt. Aber die Eltern durften davon nichts wissen, denn eigentlich waren die beiden noch zu jung um sich zu verlieben. Aber wenn die Liebe nun einmal ausgebrochen ist, dann hilft keine Medizin. Deswegen waren die beiden aus ihren Schlössern abgehauen und Prinz Eric hatte nur seinen Reitlöwen mitgenommen. Auf dem saß nun Prinzessin Tabea, Prinz Eric lief nebenher und die beiden schauten sich immerzu verliebt in die Augen. Der Löwe lief so vor sich hin und weil ihm niemand sagte, wohin es gehen sollte, brüllte er immer mal wieder ganz laut. Aber die beiden Verliebten ließen ihn brüllen. Die Hexe erkannte schnell, was hinter dem Grollen steckte.

„Ha“, kicherte sie, „da kommen ja zwei Vögelchen, die sind mir gerade recht, diese verliebten Dummköpfe“. Schnell verwandelte sie sich in eine rote Blume, die Schildkröte in einen Heuhüpfer und die grüne Fledermaus in eine Biene. „Schau nur“, flüsterte Prinzessin Tabea, „wie schön, ein grüner Heuschreck mit einer roten Blume und einer grünen Biene darauf. die wollen wir mitnehmen. Die bringen uns sicher Glück. Prinz Eric bückte sich und hob die drei auf. Und kaum hatte er sie in seinen Beutel gesteckt, den er um den Hals trug, da kam ihm ein Gedanke – und er wusste selbst nicht, woher er den hatte. „Tief im Urwald,“ sagte er zu Prinzessin Tabea, „liegt ein Schloss. Dorthin wollen wir reiten. Dann können wir dort Hochzeit halten und wohnen bis an das Ende unserer Tage. Der Weg ist bereitet.“

Kaum hatte er das gesagt, da fühlte er am Ohr einen Stich. Es war die grüne Biene, die verwandelte Fledermaus, die sich im Beutel ganz unwohl gefühlt hatte und herausgekrabbelt war. Und da hatte sie Prinz Eric gestochen und der schrie „Aua“ und schlug auf sein Ohr. Und schon war die Biene samt Fledermaus mausetot.

Nun ritt Prinzessin Tabea auf dem Löwen auf den Dschungel zu. Eric und Tabea fanden den Weg, den die Schildkröte durch den Dschungel gebahnt hatte und bald schon erreichten sie das verfallene Schloss. „Oh, wie gruselig ist es hier. Hier will ich nicht wohnen,“ sagte Prinzessin Tabea. „Ach,“ meinte Prinz Eric, „hier muss man einfach mal richtig aufräumen.“ 

Doch er hatte noch nicht ausgesprochen, da tat es einen Krach, sein Brustbeutel platzte und vor den beiden saß die Hexe auf ihrer Schildkröte, packte die beiden und zerrte sie zu ihrer Höhle, wo sie sie einsperrte. Wohl hatte der Löwe gebrüllt und das Maul aufgerissen aber die Schildkröte hatte ihn einfach platt gewalzt.

Und nun saß die Hexe vor ihrem Ofen und braute einen Zaubertrank, den wollte sie Prinz Eric einflößen und ihn dann hoch schicken zu Graf Dracula, der sich an Eric vergiften sollte. Doch weil die grüne Fledermaus nicht mehr lebte machte die Hexe wohl etwas falsch. Statt eines Giftzaubers machte sie einen Krafttrank. Und kaum hatte Prinz Eric den getrunken, da fühlte er ungeahnte Kräfte in sich. Er packte die alte Hexe beim Hals, nahm Prinzessin Tabea auf den Arm und dann marschierte er hoch ins Schloss. Als das Gespenst die Hexe erblickte, versteckte es sich schnell hinter einer Gardine. Graf Dracula, der wohl sah, welche Kraft in Prinz Eric steckte, stürzte sich vom Hunger getrieben auf die Hexe, schlug sein Gebiss in den Hals der Hexe und saugte ihr – hast du nicht gesehen, alles Blut aus dem Leib. Nun ist Hexenblut äußerst giftig. Und wer auch immer mit diesem Blut in Berührung kommt, den befällt auf der Stelle die Tollwut.

So ging es auch Graf Dracula. Kaum hatte er den letzten Tropfen Hexenblut geschlürft, da zerriss fast sein Gedärm, er fing an zu schreien und zu toben, riss die Gardinen und die Bilder von der Wand. Sogar seinen eigenen Sarg, indem er gewöhnlich schlief, zerschlug er zu Kleinholz. Dann trat Schaum aus seinem Mund und schließlich tat er seinen letzten Schnaufer und war tot. Im gleichen Augenblick tat es einen gewaltigen Schlag, dass Eric und Tabea vor Schreck die Augen schlossen. Als sie sie wieder öffneten, hatte sich das verfallene Gemäuer in ein prächtiges Schloss verwandelt. 

Diener eilten umher, Essen wurde aufgetragen und eine prächtige Hochzeit wurde gefeiert. Auch das Gespenst lebte in Saus und Braus. Jede Nacht bekam es verliebte Träume zu trinken, bis es selbst ganz besoffen von Liebe war. In diesem Zustand verließ es das Schloss und traf auf den Geist einer Regenbogenkuh, in den es sich unsterblich verliebte. Und weil sie alle gar nicht sterben wollten vor lauter Verliebtheit, leben sie noch heute.

Na ja, die Schildkröte auch noch, ist aber jetzt viel kleiner und spielt mit den Kindern von Eric und Tabea Fußball. 

Der fliegende Teppich

Klara und Jonas saßen auf einer wunderschönen Blumenwiese. In der Ferne leuchteten die hohen Berge, um sie herum zwitscherten Vögel. Ein friedliches Bild war es.

Und doch machten Klara und Jonas ein trauriges Gesicht. Seit Tagen waren sie schon unterwegs, sie hatten Klaras Eltern besucht und wollten nun zu Jonas’ Eltern, um auch die zu besuchen. Dass der Weg so weit und so beschwerlich werden würde, hatten sie nicht gedacht.

„Wenn das hier jetzt ein Märchen wäre, dann käme irgendeine gute Fee uns zu Hilfe,“ sagte Jonas zu Klara, aber es ist ja dummerweise kein Märchen. Kaum hatte er das gesagt, da rauschte es um sie her und plötzlich stand vor ihnen eine wunderschöne Frau, in weißem Gewand, ihr Haar war pechschwarz und ihre Augen leuchteten so blau wie zwei klare Bergseen.

„Ihr habt mich gerufen,“ sprach sie die beiden an, „wie kann ich euch helfen. Ich bin nämlich die gute Fee Bonafide.“

„Ach, gute Fee,“ sagte Klara, uns tun die Füße weh vom vielen Laufen, zu Essen und zu Trinken haben wir auch nicht mehr. Wir wissen kaum, wie wir noch weiter­kommen sollen.“ „Ihr Armen,“ antwortete ihnen die Fee. „Euch kann leicht geholfen werden.“ Dann wischte sie durch die Luft und hielt ein kleines weißes Tüchlein in der Hand.

Das ist ein Tüchlein decke dich, immer wenn ihr Hunger habt, breitet nur das Tüchlein aus und ruft: Essen herbei für uns zwei und dann sind sogleich die leckersten Speisen und Getränke auf dem Tüchlein zu finden und die Schüsseln und Gläser werden nicht leer bis ihr satt geworden seid.

Und noch einmal wischte sie durch die Luft. Diesmal hielt sie einen Teppich in der Hand: „Das ist der berühmte fliegende Teppich,“ sagte die Fee, „ihr braucht euch nur darauf zu setzen und sagen: Jetzt nach Wien oder jetzt nach Rom und schon fliegt der Teppich los und in Blitzesschnelle seid ihr an dem Ort, wohin ihr auch wollt. Passt aber auf, dass ihr immer jetzt davor sagt, denn sonst rennt der Teppich nicht nur von Ort zu Ort, sondern auch in der Zeit umher und es kann geschehen, dass ihr plötzlich mitten im alten Rom landet oder auf einem mittelalterlichen Markt.

Und hütet euch auch vor der bösen Fee „Robusta“. Sie ist schon lange hinter diesem Teppich her. Und wenn sie euch den Teppich abnimmt, dann seid ihr gefangen an dem Ort, wo der Teppich euch hingebracht hat. Wenn ihr aber einmal gar nicht mehr weiter wisst, dann ruft nur meinen Namen und ich will euch helfen.“ Damit verabschiedete sich die Fee von den beiden und verschwand wieder.

„Oh,“ sagte Klara, „lass uns sofort ausprobieren, ob das mit dem Tüchlein stimmt.“ Sie breitet das Tüchlein aus und ruft: „Essen ran für alle Mann.“ Das Tüchlein zittert ein wenig, dann saß eine große schwarze Katze auf dem Tuch, schaute die beiden böse an und sagte: „Das war wohl der falsche Spruch.“ Und dann verschwand sie wieder.

Aber wie ging denn bloß der richtige Spruch, fragte sich Jonas: „Essen her, immer mehr.“ Und schon saß ein dicker, fetter, schwarzer Kater auf dem Tüchlein: „Das war wohl der falsche Spruch“ sagte der Kater, „oh was ist mir schlecht vom vielen Essen,“ und dann verschwand der Kater wieder.

Aber wie hieß bloß der richtige Spruch? Und plötzlich riefen beide miteinander: „Essen herbei, für uns zwei.“ Und schon standen Schüsseln und dampfendes Essen auf dem Tuch. Brot, Apfelsaft, Wein, alles was die beiden sich nur wünschen konnten. Und als sie sich satt gegessen hatten, verschwand alles wie von Zauberhand und Klara faltete das Tüchlein und steckte es in ihre Tasche.

„Jetzt wollen wir auch den Teppich ausprobieren. Wohin willst du?“ fragte Jonas Klara. „Ich wollte immer schon mal nach Ägypten und die Pyramiden anschauen,“ sagte Klara. Die beiden setzten sich auf den Teppich und Jonas rief: „Nach Ägypten zu den Pyramiden und zum Pharao.“ Der Teppich hob sich und rauschte davon. Aber Jonas hatte einen Fehler gemacht. Er hatte vergessen „jetzt“ zu sagen. Und so reiste der Teppich nicht im heutigen Ägypten sondern in der Zeit zurück und brachte Klara und Jonas in jene Zeit, als die ersten großen Pyramiden schon standen und gerade an einer neuen noch größeren gebaut wurde. Die beiden sahen wie gewaltige Steinblöcke auf Rollen vom Nil her gerollt wurden. Sie sahen von oben den Palast des Pharao, wo unzählige Menschen herum liefen, und sie sahen den Pharao selbst auf seinem Thron sitzen.

Der Teppich landete gerade vor dem Palast. Klara und Jonas sahen sich an. „Was ist das?“ fragten sie sich. Hier gab es keine Autos, nicht einmal Oldtimer fuhren herum, stattdessen liefen Esel und Kamele umher, die Menschen waren klein und sie sprachen eine Sprache, die Klara und Jonas überhaupt nicht verstehen konnten. Plötzlich tauchte hinter dem Pharao eine schwarze Gestalt auf. Sie zeigte auf Jonas und Klara und führte die Hand zum Hals. Das war das Zeichen, dass der Pharao den beiden den Kopf abschlagen lassen sollte. Die schwarze Gestalt war niemand anders als die böse Fee Robusta, die den fliegenden Teppich gesehen hatte und nun hoffte, ihn endlich in ihren Besitz bringen zu können.

Schon kamen die Diener des Pharao herbei und zerrten Jonas und Klara vor den Thron. Der Pharao zog sein Schwert aus der Scheide und senkte es nach unten. Das war das Zeichen, dass er die beiden zum Tod durch Kopfabschlagen verurteilte.

Jonas und Klara wurden gepackt und gefesselt, dann legte man sie auf eine Bank, der Henker mit seinem gewaltigen Schwert erschien. Schon hob er das Schwert um mit einem einzigen Schlag beiden den Hals durch zu hauen. Da kam vom Nil her ein gewaltiges Geschrei. Ein großes Piratenschiff hatte im Hafen geankert. Und jetzt rannten verwegene Gestalten auf den Palast des Pharao zu. Die Piraten hatten gehört, dass in der ältesten Pyramide ein großer Schatz versteckt sein sollte. Waffenklirrend erreichten die Piraten den Palast. Vor Schreck fiel dem Henker das Schwert aus der Hand. Die Piraten nahmen den Pharao gefangen, dann schnallten sie Jonas und Klara die Fesseln ab: „Wer ein Feind des Pharao ist, der muss unser Freund sein“ rief der Piratenkapitän.

Jonas und Klara verstanden nur Hong hang wung krate wumm. Aber das war ihnen egal. Sie waren wieder frei und gemeinsam mit den Piraten rannten sie auf die alte Pyramide zu. Der Pharao, der gefangen mitgeführt wurde, lachte böse. „Ihr kommt niemals in die Pyramide,“ sagte er zu den Piraten. „Die Pyramide steht unter besonderem Schutz.“ Und tatsächlich, rund um die Pyramide hatte man einen künstlichen See angelegt. Was aber außer dem Pharao niemand wusste: In dem See schwammen mehr als tausend Piranhas, die die böse Fee dem Pharao einst aus Südamerika mitgebracht hatte. Und wer es wagte, auch nur einen Fuß ins Wasser zu setzen, der würde auf der Stelle von den Piranhas zerrissen und aufgefressen werden. Die Piraten standen vor dem See, irgendwie kam der See ihnen unheimlich vor. Der Piratenkapitän gab dem Pharao einen Stoß: „Los, rüber schwimmen!“ schrie er den Pharao an. Der wurde ganz blass und fing an zu zittern. „Ich, ich, ich,“ sagte er, „ich kann doch nicht schwimmen,“ wimmerte er. Da gab der Kapitän dem Pharao noch einen Stoß, dass er in den See fiel, sofort rauschte das Wasser auf, die Piranhas schossen heran und schneller als man er erzählen kann war der Pharao bis auf die Knochen abgenagt und schwamm nun als Gerippe im See.

„Was nun?“ fragte der Kapitän. „Wir wollen unbedingt den Schatz der Pyramide. Womit soll ich sonst meine Seeräuber bezahlen? Jonas hatte eine Idee: Er rollte den fliegenden Teppich aus und ließ soviel Piraten darauf stehen, wie es nur eben ging. Dann sagte er: „Jetzt rüber zur Pyramide.“ Der Teppich erhob sich und brachte alle wohl behalten ans andere Ufer des Sees. 20 mal musste Jonas mit dem Teppich, dann waren alle Piraten auf der anderen Seite. Schnell begannen die Piraten die Verschlusssteine aus der Pyramide zu schlagen. Als die Öffnung groß genug war, schlug ihnen ein modriger Geruch entgegen. Vorsichtig und mit Fackeln in der Hand machten sie sich auf den Weg ins Dunkle. Direkt hinter dem Eingang lag eine verschrumpelte Gestalt, ein toter Mönch. „Wie kommt der denn hierher?“ fragte der Piratenkapitän. Klara und Jonas schauten sich die Leiche an und Jonas sagte: „Schau mal, das ist doch Fritz Weber.“ Fritz Weber war vor fünf Jahren nur mal kurz aus dem Haus gegangen um Zigaretten zu holen. Er war der Nachbar von Jonas Eltern. Und seitdem war er verschwunden. Und da lag er also jetzt, tot und verschrumpelt. Wie er in die Pyramide gekommen sein mag? Nun, das ist eine andere Geschichte. Lassen wir also die Leiche liegen und gehen weiter. 

Die Piraten waren längst im Innern der Pyramide angekommen. Vor dem riesigen Mumiensarg saßen als Wächter ein ausgestopfter Löwe und ein ausgestopfter Tiger. Die fingen plötzlich laut an zu knurren und zu brüllen. Die Piraten schlugen mit ihren Schwertern auf die Biester ein. Da platzten sie auf und fielen um und waren still. Aber wo war nur der Schatz. Nirgendwo stand ein Kasten oder eine Truhe. „Sie werden den Schatz mit in den Sarg gelegt haben,“ meinte der Kapitän. Und schon begannen die Piraten den Deckel vom Sarg zu schieben. Kaum hatten sie den Sarg geöffnet, da sahen sie auch schon eine Mumie im Grab liegen. Die richtete sich plötzlich auf und murmelte: „Der Wackelzahn muss raus, der Wackelzahn muss raus, sonst kann ich nicht in Ruhe tot sein.“ 

Die Piraten wichen entsetzt zurück, sie konnten die Mumie nicht verstehen. Nur Jonas und Klara hatten gehört, was die Mumie gemurmelt hatte. Beherzt nahm Jonas einem Piraten sein Messer ab, schritt auf die Mumie zu und schlug ihr mit dem Messer den Wackelzahn aus dem Mund. „Danke,“ sagte die Mumie. Jetzt kann ich endlich tot sein,“ und legte sich wieder hin. 

Klara sah Jonas bewundernd an: „Du bist ja ein echter Held, Jonas,“ sagte sie. „Ich glaube, jetzt habe ich mich in dich verliebt.“ „Och,“ sagte Jonas, „ich hab mich schon lange in dich verliebt, aber du hast das ja nicht gemerkt.“

Inzwischen waren die Piraten wieder an den Sarg getreten und da staunten sie: Rund um die Mumie glitzerte es von Gold und Edelsteinen. Ketten, Ringe, Broschen und noch anderes Geschmeide lag da. Die Piraten füllten sich ihre Taschen mit dem Schatz und auch Klara und Jonas griffen zu. Dann verließen sie die Pyramide wieder und schlossen sorgfältig die Öffnung. Jonas flog alle wieder ans andere Seeufer und gemeinsam marschierten sie zum Hafen. 

Oben auf dem Heck des Piratenschiffes saß ein ganz armseliges Geschöpf. Ein Straßenköter, ein armer Hund mit Schlappohren, der schaute so traurig in die Welt, dass Klara gleich die Tränen kamen. „Den müssen wir retten,“ sagte Klara. Jonas ging zum Kapitän, zeigt auf den Hund und bot dem Kapitän als Gegengabe sein Tüchlein deck dich an. Der Kapitän zeigte sich sehr erfreut und gab ihnen gern den Hund.

Nun setzten sich Klara, Jonas und der Hund auf den Teppich und Jonas sagte: „Zurück auf die Blumenwiese.“ Kaum gesagt, schon waren sie da. „Bonafide“ riefen die beiden. Und da stand die Fee auch schon vor ihnen. Jonas gab der Fee den Teppich zurück: „Der ist mir zu gefährlich,“ sagte er. Die Fee lächelte und sagte: „Dann habt ihr noch einen Wunsch frei.“ Klara und Jonas sahen sich an. „Wir wünschen uns ein Haus, wir wollen nämlich heiraten,“ sagten beide wie mit einem Mund. „Das wusste ich schon längst,“ sagte die Fee. Euer Wunsch sei euch erfüllt. Es tat einen gewaltigen Rums und dann stand auf der Blumenwiese plötzlich ein kleines Schloss. Und innen drin saßen Klara und Jonas im Hochzeitsgewand und schauten sich verliebt in die Augen.

Und ich wollte, ich wäre dabei gewesen.

Zum letzten Mal

Nachrichten aus Anderland

Annette saß vor dem Fernseher. Ihr wisst ja, das ist der Ofen, auf dem oben die Katze als Antenne sitzt. Sie hatte Lust auf Katastrophen und schaute sich deswegen den Katastrophen-Sender an. Und schon hörte sie: 

In Qualburg ist heute eine Horde Wehrwölfe aus dem Zoo ausgebrochen. Die Bewohner wurden aufgefordert, ihre Häuser nicht zu verlassen. Wehrwölfe sind für Menschen äußerst gefährlich.

In Teufelsdorf landete heute ein Schiff mit Monstern. Die Monster sind allesamt gesund. Die Monster sollen bei der Energieversorgung mithelfen. Jeder feuerspuckende Drache erspart dem Land ein Windrad.

Umiunsdorf. In Umiunsdorf hat ein Ritter seine Angst vor Pferden zu überwinden versucht. Er befestigte sich selbst mit selbstklebendem Klebeband auf seinem Pferd. Als das Pferd merkte, dass der Ritter nicht wie gewöhnlich herunterfiel, sprang es vor Schreck in einen Fluss. Das Pferd konnte gerettet werden, für den Ritter, der in einer schweren Eisenrüstung steckte, kam leider jede Rettung zu spät.

„Oh, was für grausige Katastrophen,“ entfuhr es Annette. Das war ja wieder mal ein richtig spannender Tag in Anderland.

Sie schaute aus dem Fenster in den grünen Himmel von Anderland. Die violette Sonne stand noch hoch oben. Eigentlich ist es viel zu schade jetzt schon vor dem Fernseher zu sitzen, dachte sie. Und dann stand sie auf und verließ das Haus.

Kaum war sie aus der Tür getreten, da flatterte ein Vogel auf, ein Buntspecht war es, der sie hinter sich herlockte in den nahen Wald. Der Wald aber war ein Zauberwald und wie der Specht den Wald erreicht hatte, da klopfte er mit seinem Schnabel an einen Baum. Der ganze Wald begann zu klingen und Annette kam sich vor als wäre sie mitten in ein Märchen geraten.

Eben noch vor dem Fernseher und Katastrophen geguckt. Und jetzt auf einmal mitten in einer Welt, wie ich sie mir immer gewünscht habe. Plötzlich saß der Buntspecht auf Annettes Schulter: „Du musst nach der Wunschblume suchen,“ zwitscherte er in ihr Ohr. „Wenn du sie gefunden hast, dann kannst du mich erlösen. Aber gib acht, die Wunschblume wächst mitten im Wald und wird von einem alten Neandertaler bewacht, einem Steinzeitmenschen und solange es hell ist, wird er niemanden an die Blume lassen. Wenn es aber dunkel geworden ist, fällt er in einen tiefen Schlaf. Du hörst ihn schon von weitem schnarchen. Geh einfach den Tönen nach, dann wirst du die Blume finden.“ Annette setzte sich auf einen Baumstumpf. Die Wunschblume, dachte sie. Davon habe ich schon als kleines Mädchen geträumt. Und ein Buntspecht, der mit mir spricht. Vielleicht versteckt sich ja ein Prinz in dem Buntspecht. Und warum soll ausgerechnet ich armes Mädle den Specht erlösen. Und dann summte sie leise vor sich hin: „Die Vögel sollen Hochzeit halten ...“. Bald war die Sonne untergegangen und schon tönte aus den Tiefen des Waldes ein schreckliches Geschnarche. Annette erhob sich von ihrem Baumstumpf und ging dem Geräusch nach. Und auf einmal stand sie auf einer Lichtung, vor ihr am Boden lag die gewaltige Gestalt des Steinzeitmenschen. Seine Keule hielt er noch in der Hand. Und mitten auf der Lichtung leuchtete hell eine blaue Blume. Das muss die Wunschblume sein, dachte Annette. Sie ging hin und brach die Blume ab. Es war, als wenn die Blume auf Annette gewartet hätte. Kaum hatte Annette sie in der Hand, da öffnete sich der Kelch und aus der Tiefe der Blütenblätter blickte ein Auge Annette freundlich an. „Schön, dass du gekommen bist,“ wisperte die Blume. „In Anderland warst du ein armes Mädle, aber hier sollst du wie eine Prinzessin leben.“

Und schon war auch der Specht zur Stelle. „Streiche mit der Blume über mein Gefieder,“ sagte der Specht. Annette tat, was der Specht verlangte. Und auf einmal stand statt des Spechtes ein ganz in Gold gekleideter Reiter vor Annette. „Ich bin der Prinz deiner Träume,“ sagte er. „Und jetzt will ich endlich dein Mann werden, denn du hast mich erlöst.“ Und er nahm Annette in den Arm und herzte und küsste sie. Annette schaute den Reiter an, dann sah sie auf die Blume. „Verlasst mich nie,“ sagte sie zu beiden. Und zur Blume sagte sie: „Darf ich mir noch etwas wünschen?“ Die Blume zwinkerte Annette zu . Da wünschte sich Annette ein kleines Häuschen mitten im Zauberwald und jeden Mittag zum Nachtisch Wackelpudding.

„Und jetzt,“ sagte sie zum Reiter, als sie vor dem kleinen Häuschen standen, „wollen wir Hochzeit halten.“ So geschah es.

Und wenn sie nicht gestorben sind, dann essen sie immer noch Wackelpudding in ihrem kleinen Häuschen im Zauberwald.







Essays

Artikel, die vor allem um Texte der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur kreisen.
Auch die Frage zum Zusammenhang von Literatur und Religion wird hier verhandelt.
Außerdem finden sich hier Anmerkungen zur Zeit.

Eigene Texte

Es gibt hier lyrische Versuche. Außerdem Kindergeschichten.
Diese Kindergeschichten sind zum größten Teil entstanden bei der Arbeit mit Familien. Sie sind dazu gedacht, den Tag einzuleiten. Im Anschluss an diese Geschichten lassen sich gemeinsame Aufgaben erledigen: Die Herstellung von Klappern oder Bumerangs etwa, aber auch das gemeinsame Basteln eines Hauses.
Die Kindergeschichten entstanden dadurch, dass die Kinder Vorgaben zu Personal und Ereignissen gemacht haben, die dann am nächsten Morgen in der Geschichte vorkommen mussten.

Schrift und Schreiben

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